RELATIVITäTSTHEORIE, ALLGEMEINE
(Kategorie: Physik)
Die allgemeine Relativitätstheorie (ART) ist der zweite Teil der berühmten Relativitätstheorie von Albert Einstein - die spezielle Relativitätstheorie (SRT) ist der mathematisch leichtere und historisch ältere "erste Teil". Die ART wurde zuerst 1916 veröffentlicht, 11 Jahre nach der SRT.
In der SRT ging es ja um die Tatsache, dass Licht sich immer mit der gleichen Geschwindigkeit in Bezug auf uns Beobachter bewegt - unabhängig davon, wie schnell wir selbst uns bewegen. Aber: Es ging in der SRT im Grunde immer nur um gleichförmige Bewegungen, nicht um beschleunigte.
Mit der ART versuchte Einstein das Wesen von Beschleunigung zu verstehen: Was bedeutet es eigentlich, wenn ein Körper "beschleunigt" wird - in Bezug worauf beschleunigt er denn? Er kann definitiv feststellen, dass er beschleunigt, denn es wirkt auf ihn in diesem Moment eine Kraft (und drückt ihn z.B. in den Autositz). Es gibt aber keinen "ruhenden Beobachter". - Einstein fiel etwas merkwürdiges auf, indem er ein Gedankenexperiment machte.
Stellen wir uns vor, wir befänden uns in einem Fahrstuhl (ohne Fenster). Und plötzlich würden wir darin den Halt verlieren und schwerelos nach oben gleiten! Was könnte dafür der Grund sein? Entweder (rein hypothetisch) der Aufzug schwebte tatsächlich schwerelos im All, oder das Seil wäre gerissen, und der Fahrstuhl befände sich im freien Fall Richtung Oberfläche (und hat hoffentlich gute Bremssysteme). Das Interessante daran ist: Wir als Insassen können diese beiden Möglichkeiten zumindest durch Messungen nicht voneinander unterscheiden!
Drehen wir den Spieß um: Plötzlich fallen wir in unserem Aufzug wieder auf den Boden, haben Halt unter den Füßen und können wieder stehen. Was ist passiert? Entweder die Bremsen haben gegriffen und die Erdanziehung hat uns ganz normal wieder; oder der schwebende Aufzug im All wurde an die Leine genommen und nach oben gezogen (also beschleunigt). Und wieder können wir von innen diese beiden doch sehr verschiedenen Möglichkeiten nicht unterscheiden - sie würden sich beide gleich anfühlen!
Daraus zog Einstein nun den kühnen Schluss, dass Beschleunigung und Schwerkraft (also Gravitation) das gleiche Phänomen beschreiben! Und die ART beschreibt nun diesen Zusammenhang mathematisch, mit weitreichenden Konsequenzen:
- Zunächst: Ein Körper, der einfach so auf der Erde herumsteht und sich nicht bewegt (sagen wir: Ihr parkendes Auto), unterliegt der Gravitationskraft, und das bedeutet: Es ist, als würde er beschleunigt. Und das bedeutet: Ihr Auto ist nicht der "ruhende Beobachter", der beurteilen kann, ob sich ein anderer Körper bewegt oder in Ruhe befindet! - Aber wer denn dann?
- Um sich laut ART als "ruhender Beobachter" bezeichnen zu dürfen, müsste Ihr Auto die Kraft der Erde überwinden und zu deren Mittelpunkt fallen. Das wird freilich nicht passieren, aber wir sehen, wo die Reise hingeht: Ein ruhender Beobachter ist einer, der sich gewissermaßen der Gravitation einfach hingibt und sich nicht "wehrt" (durch Fallschirme, Raketenantriebe oder was auch immer). D.h.: Ruhende Beobachter befinden sich laut ART im freien Fall!
- Bereits in der SRT wurde ja das Konzept der Raumzeit eingeführt; hier in der ART wird dieses Konzept allerdings stark verfeinert. Einstein behauptet nämlich, dass Anziehung zwischen Massen (also Gravitation) nichts anderes ist als eine Krümmung dieser Raumzeit, also eine geometrische Größe!
- So erklären sich die Planetenbahnen: Die Erde wird nicht an unsichtbaren Fäden von der Sonne herumgewirbelt. Vielmehr folgt die Erde wie eine einmal angeschobene Murmel der Bahn, die für sie am günstigsten (in gewisser Weise daher "gerade") ist - wenn wir uns vorstellen, ein Gummituch zu spannen, die Sonne in Form eines schweren Steines in die Mitte zu legen und die Murmel am Rand des entstehenden Trichters einmal anzuschubsen. (Der Nachteil dieses Bildes: Die Murmel wird langsamer (da sie am Tuch reibt) und fällt nach kurzer Zeil in die Mitte; die Erde nicht.)
- Die ruhenden Beobachter sind also Körper, die einfach frei fallen - oder anders ausgedrückt: die sich auf den energetisch günstigsten Linien (den sog. Geodäten) aus ihrer Sicht "gerade" durch die Raumzeit bewegen.
- Die ART beschreibt also die Gravitaion und sagt hier einige Effekte voraus, die in der klassischen Mechanik nicht erklärt werden konnten oder gar nicht erst bekannt waren:
- Die Periheldrehung des Merkur, eine winzige Bahnverschiebung des Planeten, konnte mittels ART erstmals vollständig verstanden werden.
- Schwarze Löcher sind eine theoretische Lösung der Feldgleichungen der ART, die zunächst von vielen Fachleuten als rein theoretisch belächelt wurden; heute aber herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass in so gut wie jeder Milchstraße in der Mitte ein großes sitzt, und umher auch noch das eine oder andere...
- Ein Effekt bei rotierenden und vor allem bei schnell umeinander rotierenden Körpern ist, dass sie die Raumzeit gewissermaßen ein wenig mit sich ziehen und dabei in Schwingungen versetzen. Diese sog. Gravitationswellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus und tragen Energie vom rotierenden System weg, woraufhin die zwei umkreisenden Körper sich näherkommen. Beobachtet hat man so etwas bei einem Paar zweier Neutronensterne, bei denen man beobachten konnte, dass ihre Umlaufzeiten sich tatsächlich auch verringern (und zwar im von der ART geforderten Maß). Dafür gab es immerhin auch einen Nobelpreis...
- Schon recht früh (in den 20er Jahren) fand sich auch eine Lösung für die Gleichungen der ART, die ein Universum beschrieben, das nicht statisch war, sondern sich ausdehnen sollte. Dies jedoch behagte Einstein gar nicht, da man zu jener Zeit wie selbstverständlich davon ausging, das Universum sei eben unveränderlich. Daher führte Einstein noch einen Term in seine Gleichungen ein, der als eine Art negativer Druck wirken und die Ausdehnung so kompensieren sollte.
Die Entdeckung Edwin Hubbles um 1930 aber, dass es a) Objekte außerhalb unserer Milchstraße gibt (die früher "Nebel" genannt wurden und seitdem aber "Galaxien" heißen), und b) dass diese sich von uns entfernen, und zwar je weiter weg, desto schneller - dies machte deutlich: Das Universum expandiert tatsächlich. Und Einstein entfernte seinen Kompensationsterm wieder und bezeichnete ihn angeblich als "größte Eselei" seines Lebens...
Um das Jahr 2000 herum allerdings gab es erste Hinweise darauf, dass die Eselei vielleicht gar nicht so eselig war - denn das Universum dehnt sich sogar beschleunigt aus! Erwarten würde man, da es ja Masse enthält, dass die sich gegenseitig anziehen und so die Ausdehnung bremsen würde - das Gegenteil aber scheint der Fall zu sein. Die Ausdehnung geht immer schneller! Und um das zu erklären, greift man heute zu Einsteins erst hinzugefügten und dann wieder gestrichenen Term...
- Und wenn sich das Universum ausdehnt und immmer größer wird, muss es ja auch einmal kleiner gewesen sein! Und davor noch kleiner und noch kleiner... Ja, wie klein denn? Offenbar sagen die Gleichungen der ART auch dazu etwas aus, nämlich: Es wird immer kleiner bis zu einem wirklich winzigen Punkt, und dann versagen die Gleichungen der ART. Sie kann uns also nichts über die ersten Billionstel Sekunden des Universums sagen oder gar darüber, was zum oder vor dem Urknall geschah - aber ab sehr knapp danach ist sie extrem zuverlässig.
- Und wo kommt das nun praktisch vor? Nun ja, wie schon bei der SRT ist auch die ART eine Erweiterung der klassischen Physik. Und das heißt: Solange wir uns nicht mit Fast-Lichtgeschwindigkeit bewegen, uns in die Nähe eines Schwarzen Loches begeben oder Zeit, Gravitation o.ä. extremst präzise messen müssen - solange werden wir keinerlei Unterschied merken, und insofern wird die ART im Alltag eher keine Rolle spielen. Aber erstens liefert sie ein unglaublich wichtiges Instrumentarium zum Verständnis des Universums (wer hätte vor der ART an Urknälle gedacht?); und zweitens: Manchmal muss man auch tatsächlich so genau messen. Beispiel GPS: Die Satelliten sind Zeit-Sender, und sie bewegen sich a) schnell (und daher läuft laut SRT deren Zeit schneller), aber b) bewegen sie sich im Gravitationsfeld der Erde (und daher läuft laut ART deren Zeit langsamer als im freien Fall - aber schneller als unsere, die wir der Erde noch näher sind als die Satelliten). Zwei gegenläufige Effekte, die sich leider nicht ganz gegenseitig aufheben - und die zwar nicht groß sind, aber groß genug, um unser GPS unbrauchbar zu machen, wenn man sie ignorierte (statt Ungenauigkeiten von vielleicht 10 m lägen diese bei Kilometern). Immerhin misst man Millisekundenzeitsignale aus 18000 km Entfernung, um seine Position auf Meter genau zu bestimmen...
Im Jahr 2015 wurde die ART im Übrigen 100 Jahre alt. Ein Grund, darauf anzustoßen. Prost, Albert - und Chapeau!